Interview mit Studio LS301

Studio LS301 ist ein junges Produkt- und Interaktionsdesignstudio, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Umgang mit Robotern human zu gestalten. Die beiden Designer übersetzen Körpersprachen in das Maschinenverhalten, um eine intuitive Interaktion basierend auf realen Bewegungsabläufen zu schaffen.

Die DesignFarmBerlin unterstützte Valentin Lindau und Jonas Schneider 12 Monate lang bei der Entwicklung einer Strategie für den Markteintritt. Während der anfänglichen Suche nach Herstellern für ihren Reinigungsroboter Sweep,erkannten sie, dass Wissen und insbesondere Designaspekt in der Roboterinteraktion auf dem deutschen Markt noch wenig fortgeschritten ist. Mittlerweile betreiben sie das Studio LS301, das die interaktiven Entwicklung in der Robotik als Schwerpunkt hat.

DesignFarmBerlin: Ihr habt bei der DesignFarmBerlin mit dem Projekt Sweep begonnen. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, insbesondere auf das Konzept: Mensch Roboter-Interaktion?

J.Schneider / LS301: Mensch Maschine Interaktion ist per se kein neues Konzept. Die Gestaltung von Nutzerschnittstellen ist gängige Praxis, nicht zuletzt im Bereich UX/UI Design. Hier ist mit Maschine aber in der Regel der Computer bzw. das Smartphone oder Tablet gemeint. Sprich, die Interaktion beschränkt sich auf zweidimensionale Anwendungen auf dem Display. Wir gehen einen Schritt weiter und wollen das physische Objekt dabei wieder stärker in den Blick nehmen. Denn im Hinblick auf die zunehmende Autonomisierung unseres Alltags – sei es im Verkehr, am Arbeitsplatz oder Zuhause – sehen wir zunehmenden Bedarf an nutzerfreundlichen und intuitiven Interaktionskonzepten, die sich am Objekt selbst orientieren. Sweep stellt für uns eine Art Fallbeispiel dar, an dem wir zeigen, wie autonome Technologie sinnvoll implementiert werden kann. Hier haben wir für die Berliner Stadtreinigungsbetriebe die Bewirtschaftung des Alexanderplatz im Hinblick auf das Werkzeug und die Arbeitsschritte der Mitarbeiter analysiert und wie deren Arbeitsplatz durch den Einsatz neuer Technologien aufgewertet und effizienter gestaltet werden kann. Das Ergebnis unserer Arbeit ist Sweep. 

Das arbeiten am physischen Prototypen ist essentiell um dem Fahrverhalten gezielt einen Charakter zu verleihen. 

Wie war es für euch, als Interface/Produktdesigner an diesem Projekt zu arbeiten? Welche Disziplinen musstest ihr kombinieren, erwerben um das Ergebnis zu erzielen?

Während unseres Studiums haben wir bereits an vielen Projekten gearbeitet, die verschiedene Facetten in der Gestaltungsarbeit abgebildet haben. Ich denke die größte Herausforderung war, unsere Ideen in den physischen Interaktionsprototypen zu übertragen. Als Produkt Designer nutzen wir in der Regel CAD Software oder verschiedene Grafikprogramme, um unsere Konzepte zu visualisieren und auszuarbeiten. Prototypen werden dann gebaut, um Proportionen und Handhabung am physischen Objekt zu bewerten. Im Fall Sweep fand jedoch ein Großteil des iterativen Gestaltungsprozesses am Prototypen selbst statt. Hier ging es weniger um Proportionen als vielmehr um die Ausgestaltung der Bewegungen des Roboters im Raum. Dafür mussten wir auf die physical Computing-Plattform “Arduino” zurückgreifen – mit Microcontrollern und Programmierung hatten wir uns zuvor nie in dieser Tiefe auseinander setzen müssen. 

“Wir sind die Erfinder und Köpfe hinter dem Produkt...”

Was war während der Entwicklung von Sweep völlig unerwartet? Und wie waren die Herausforderungen während des gesamten Prozesses?

Am Anfang fiel es uns schwer unsere Rolle bei der Entwicklung von Sweep zu definieren. Wir sind zwar die Erfinder und Köpfe hinter dem Produkt, hatten allerdings nie vor dieses selbst vollständig zu entwickeln oder zu vertreiben. Wir wollten unbedingt weiter kreativ tätig sein und nicht hauptsächlich Projektmanagement betreiben bzw. andere Unternehmen koordinieren. Während der Verhandlungen über die Kooperation sind wir uns erst so richtig bewusst geworden, wie wir das Projekt weiterverfolgen, und was wir perspektivisch daraus machen wollen. An dieser Stelle war dann auch das erste Mal die Rede von einem gemeinsamen Design Studio. 

Erste Designstudien – Der Charakter eines Roboters liegt in der Kombination aus der formalen Gestalt und dem Bewegungsverhalten. 

Auf eurer Webseite betont ihr unter anderem “Eine der größten Herausforderungen bei der Etablierung neuer Technologien ist die Akzeptanz durch den Menschen. Bei einem Großteil der autonomen Produkte gibt es aktuell einen Mangel an Kommunikation und Interaktion mit der Umwelt.” Gibt es Möglichkeiten, diesen Kampf zu überwinden oder welche Lösungen würdet ihr euch vorstellen, um die Kommunikation zu erleichtern?

Nehmen wir das Beispiel autonomes Fahrzeug. Die Aufgabe ist klar – Ein Fahrzeug muss selbstständig in der Lage sein, ohne Zutun eines Fahrers und unter Berücksichtigung der Verkehrsregeln sicher und möglichst auf schnellstem Wege von A nach B zu kommen. Auch wenn wir heute noch weit davon entfernt sind, uns morgens vom selbstfahrenden Bus zur Arbeit fahren zu lassen, so ist der Einzug der autonomen Mobilität in Sichtweite. Für uns ist an dieser Stelle nicht die Frage ob, sondern wie sich diese Fahrzeuge in Zukunft eigenständig bewegen werden. Woher weis ich, dass mich das Fahrzeug gesehen hat und bremsen wird. Wie erkenne ich dessen Intention? Ein Roboter darf keine Black Box sein, sondern muss sich seiner Umwelt mitteilen. Nur so kann eine sichere und humane Koexistenz im Alltag stattfinden. Noch findet der Nutzer im Entwicklungsprozess zu wenig Beachtung. Das liegt daran, dass technologische Neuentwicklungen in der Robotik üblicherweise von Ingenieuren und Programmierern voran getrieben werden, denen eine nutzerzentrierte Denkweise fehlt. Wir sind der Meinung, dass Designer stärker und vor allem in einem frühen Stadium in den Entwicklungsprozess mit einbezogen werden müssen.

Sweep erkennt Kanten und heftet sich automatisch an sie an.

Ihr hattet gleich am Anfang einen guten Start, wart viel mit Herstellern und Unternehmen in Kontakt und habt gutes Feedback und Kooperationsangebote bekommen. Was waren hier eure Erfahrungen?

Mit der BSR hatten wir natürlich einen starken Partner mit einem guten Netzwerk in der Branche an unserer Seite. So konnten wir recht schnell auf höherer Ebene und mit der BSR als überzeugter Kunde an unserer Seite mit Rückendeckung in Verhandlungen treten. Nichtsdestotrotz hat am Ende auch unser Konzept überzeugen können. Durch unsere teilautonome Lösung könnten wir den technologischen Aufwand minimieren und so die Hemmschwelle für diese Neuentwicklung beim Kunden herabsetzen. Uns ist bewusst, dass für viele etablierte mittelständische Unternehmen der Schritt in Richtung Digitalisierung bzw. Autonomisierung ihrer Produkte mit viel Aufwand und Entwicklungskosten verbunden ist. Gerade was Expertise in der Softwareentwicklung betrifft. Deshalb haben wir früh mit dem Robotic Startup “Enway”, was im Bereich Computer Vision spezialisiert ist, zusammen gearbeitet. Gemeinsam haben wir über ein Jahr mit der BSR und einem der Marktführer für Kommunaltechnik aus Dänemark zusammengearbeitet. 

“Wir alle reagieren nachdrücklich auf Dinge, die sich selbstständig bewegen und so ein eigenes Leben suggerieren”.

Abgesehen von Sweep, habt ihr ein Interaction Design-Studio mit dem Schwerpunkt auf autonome Objekte gegründet. Könntet ihr euer Konzept “Körpersprache für autonome Technologie” näher ausführen?

Wie vorhin kurz angedeutet, haben wir im Laufe des letzten Jahres an einer Körpersprache für autonome Technologie gearbeitet. Wir verstehen sie als eine Art Toolbox, bestehend aus unterschiedlichen Kommunikations- und Feedbackmechanismen, die sich an Gestik und Mimik im Umgang mit Menschen und Tieren orientiert. Sie besteht bisher aus fünf Prinzipien – Natural Appeal, Physical Phenomena, Mirroring, Prediction und Reaction. Das Zusammenwirken dieser Prinzipien, ermöglicht dem Nutzer, Bewegungen und Richtungswechsel eines Roboters zu antizipieren und gibt ihm kontinuierliches Feedback über den Zustand und die Intention der autonomen Maschine. So ist es möglich, Robotern einen lebendigen Charakter und einen biomimetischen Habitus zu verleihen. 

Dabei setzen wir unteranderem bei der Empathie und Intuition des Menschen an. Wir alle reagieren emphatisch auf Dinge, die sich selbstständig bewegen und dadurch ein Eigenleben suggerieren. Das nutzen wir als wichtigen Grundstein für eine intuitive Interaktion.

Arbeit an der ersten LED-Einheit des Sweep-Prototyps.

Während dem DesignFarm Application Workshop 1.2019 habt ihr einen Vortrag über euren Designhintergrund und euren Einstieg bei der DesignFarmBerlin gehalten. Könntest du noch etwas darüber erzählen?

Unsere Zusammenarbeit hat schon während des Studiums mit dem gemeinsamen Bachelorprojekt begonnen. Seit dem haben wir immer wieder gemeinsam an Projekten gearbeitet  und sind zu einem sehr gut eingespielten Kreativ-Team geworden. Wir arbeiten jetzt bereits über vier Jahre erfolgreich zusammen und haben eine Vielzahl an Projekten, sowohl im Hochschulkontext als auch für namhafte Kunden wie BMW, die BSR oder Nilfisk, abgeschlossen.

Bevor wir das Studio gegründet haben, haben wir individuelle Arbeitserfahrungen gesammelt. Valentin hat schon während seines Bachelor-Studiums im Porsche Design Studio als Praktikant angefangen. Nach dem Praktikum war er über 4 Jahre festes Mitglied des Porsche Design Teams in Berlin und konnte dort schon wertvolle Arbeitserfahrung und fundierte Branchenkenntnisse im klassischen Industriedesign sammeln. Ich habe während und nach dem Studium hauptsächlich Erfahrungen als Freelance Designer in den Bereichen Layout, Grafik und Corporate Identity gesammelt. In der gemeinsamen Arbeit sehe ich mich – als Interactiondesigner – als gestalterischer Gegenspieler Valentin. Mein Fokus liegt besonders auf den kommunikativen Qualitäten von Produkten, durch die Gestaltung ihrer Bewegungen.

Als Studio LS301 haben wir eine gemeinsame Vision: Unser Ziel ist es, die Interaktion von Mensch und Roboter human zu gestalten und die Akzeptanz der Menschen gegenüber neuen Technologien zu fördern. Was uns motiviert ist, dass wir als Gestalter einen Beitrag zu gesellschaftlich relevanten Fragestellungen leisten und dabei adäquate Lösungsvorschläge für die Zukunft entwickeln können. 

LS301 konzentriert sich auf die Entwicklung kundenspezifischer Designlösungen und die Entwicklung von Produktvisionen. Wie kombiniert ihr Produktentwicklung und eure Arbeit als Designberater im technischen Bereich?

Als Designer liegt unsere Stärke in der Beobachtung, im kreativen Umgang mit unterschiedlichen Einflussfaktoren und Einschränkungen im Produktentwicklungsprozess. Dabei behalten wir immer den Nutzer und seine Bedürfnisse im Fokus. Technologische Neuentwicklungen haben in den meisten Fällen ihren Ursprung an Universitäten oder in Forschungseinrichtungen, wo technologische Möglichkeiten ausgereizt werden, noch bevor über konkrete Anwendungsfälle nachgedacht wird. 

Viele Entwicklungen der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass nur Technologie, die einen echten Mehrwert für den Nutzer generiert, sich auf Dauer durch setzt. Mit unserer nutzerzentrierten Denkweise schaffen wir es also die entscheidende Brücke zu schlagen und helfen unseren Kunden dabei autonome Technologie sinnvoll einzusetzen und bessere Produkte für ihre Nutzer zu entwicklen.

Sweep bildet eine perfekte Grundlage, um den Ansatz von Studio LS301 bei neuen Kunden zu veranschaulichen.

Kannst du noch etwas über die Herausforderungen bei dem Aufbau eines Studio erzählen?

Vor unserer Gründung haben wir beide als Freelance Designer für verschiedene Unternehmen gearbeitet. Wir sind in den Projekten immer direkt in die Gestaltungsarbeit eingestiegen. Kunden- und Projektakquise war da schon immer von den anderen Abteilungen erledigt worden. Jetzt merken wir zum ersten Mal selbst, wie viel Zeit und Aufwand in diesem Projektabschnitt steckt. Das ist schon eine Umstellung, gerade wenn man mit großen Konzernen zu tun hat. Bis man sich auf konkrete Projektinhalte geeinigt hat, können schonmal 4-5 Monate ins Land gehen. In dieser Zeit sind wir daher auch auf Projekte mit kleineren Unternehmen angewiesen. 

Natürlich ist es dabei auch eine Herausforderung, die eigene Motivation aufrecht zu erhalten. Als „Kreative“ ziehen wir einen Großteil unserer Motivation aus konkreter Projektarbeit an interessanten Fragestellungen. Wir stehen noch am Anfang und übernehmen aktuell alle Aufgaben in unserem Unternehmen selbst. Dieser Spagat, zwischen kreativer Arbeit und unternehmerischen Tätigkeiten, wie Marketing, Finanzplanung oder Akquise, kann schon mal sehr anstrengend sein.

Hannovermesse 2019LS301 war mit einem eigenen Messestand auf der Berlin Partner Area vertreten.

Woran arbeitet ihr gerade und was wollt ihr verbessern?

Aktuell steht ein sehr interessantes Projekt für einen deutschen Premium-Haushaltsgerätehersteller an. Hier haben wir die Möglichkeit einem traditionellen Hardware-Hersteller, der sich durch die Autonomisierung einem neuen Wettbewerb gegenüber sieht, dabei zu helfen sich künftig mit seinen autonomen Produkten, durch eine durchdachte Interaktion und Kommunikation von der Konkurrenz abzuheben. Um unsere unternehmerischen Fähigkeiten zu verbessern arbeiten wir eng mit unserem Business Coach zusammen. Aktuell überarbeiten wir gemeinsam unseren Businessplan, um uns noch einmal mit allen Facetten unserer Unternehmung vertieft zu beschäftigen.

Unsere Teilnahme an der Hannover Messe in der letzten Woche hat uns gezeigt, dass es noch Verbesserungspotenzial in der Kommunikation unserer Services und unserer Sichtbarkeit gibt – hieran müssen wir in der nächsten Zeit arbeiten.

www.ls301.de/